Vanitas
Zum Thema Vanitas:
Vanitas, ein wichtiger Ausdruck in der bildenden Kunst und Literatur des Barock, bedeutet u.a. leer, vergeblich, vergänglich. Was wir heute unbedingt haben, sein und erleben müssen, hat vielleicht morgen keine Bedeutung mehr. Die Malerin und Holzschneiderin Käthe J. S. Wissmann holt die Vergänglichkeit ins Sichtbare mit einer Ausstellung klassischer und experimenteller Druckgrafik vom 30.9. bis 31.01. 2018
im Beginenhof Essen, Frauenkultur
an der Ruhr e.V..
Eröffnung am Samstag 30. September 2017
um 15.30 Uhr
Begrüßung
Ulrike Friebel
Einführung und Interview
Hanna Ludwig-Schmidhuber
Szenische Lesung
Käthe J.S. Wissmann
Tischreden der Katharina Luther, geborene von Bora (aus Brückner, Ungehaltene Reden ungehaltener Frauen)
Wie bist du auf das Thema gekommen?
Eine ähnliche Ausstellung hatte ich schon 2002, damals unter dem Titel „Memento mori“ - Totentanz. Damals habe ich eher die persönliche Erfahrung mit dem Tod und Sterben thematisiert. Vanitas, so wie ich es heute verstehe und in meinen Bildern darstelle, beschäftigt sich eher mit der Ausblendung von unserer Vergänglichkeit.
Besonders im Barockzeitalter im16./17. Jhdt. gehörte der Begriff Vanitas ganz selbstverständlich zum Leben der Menschen dazu und fand dementsprechend großen Ausdruck in der damaligen Kunst. Doch was ist eigentlich der Gedanke hinter der Vanitassymbolik und wie sieht ihre genaue Definition aus?
Das lateinische Wort Vanitas bedeutet frei übersetzt so viel wie "leerer Schein" oder "Eitelkeit". Die Bedeutung von Eitelkeit ist dabei eine andere als heute und im Sinne von "Nichtigkeit" zu verstehen. Gemeint ist hiermit die Vergänglichkeit allen irdischen Seins. Das Leben auf Erden ist laut Vanitas nur ein leerer Schein, das Anhäufen von Gütern, Macht oder Reichtum ist völlig nichtig. Auf der einen Seite bejahten die Menschen das Leben, aber auf der anderen Seite war ihnen auch die ständige Bedrohung durch den Tod bewusst, dem keiner, sei es Adeliger oder Bauer, entfliehen kann. Die provozierende Gegenüberstellung von Leben und Tod in einem Bild ist kennzeichnend für das Barockzeitalter. In manchen Bildern eher angedeutet, in anderen Bildern jedoch ist sie auch ganz plakativ dargestellt.
Vanitas bedeutet also leer, nichts, gehaltlos, vergeblich, aber auch eingebildet und selbstgefällig, bezieht sich also auf das Verhalten der Menschen, auf ihre Oberflächlichkeit, ihr einziges Interesse an Äußerlichkeiten.
Ja, Vanitas ist in diesem Sinne auch das als Eitelkeit verstandene persönliche Selbstgefühl, das sich auf wirkliche oder oft auch nur eingebildete, eben nichtige Vorzüge stützt. Menschen z.B. deren Selbstwert nur auf ihrem materiellen Besitz gründet, auf ihrer gesellschaftlichen Stellung, auf ihrem Aussehen, usw. Ihre Mitmenschen beurteilen sie aufgrund eben dieser äußerlichen Wertvorstellungen.
Häufige Vanitas-Attribute in der bildenden Kunst sind der Totenschädel, die erlöschende Kerze, die Sanduhr und die verwelkte Blume, aber auch Bücher, Instrumente, Luxusgegenstände usw.
Ja, zu den Vanitas-Symbolen auf den Bildern der Barockzeit gehörten auch Gegenstände, denn die abgebildeten Objekte bleiben als verwaiste und für den Verstorbenen wertlos gewordene Dinge übrig. In der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts entstanden sehr viele Vanitas-Darstellungen mit diesen Motiven. Vor dem Hintergrund grassierender Pestseuchen, den Gräueln der Religionskriege und gleichzeitig pompöser Pracht- und Machtentfaltung der Herrschenden wird dies als eine zeitkritische Haltung verständlich.
Meist aber steht das Motiv der Vanitas in Verbindung mit einem Appell zur Hinwendung an Gott und den christlichen Glauben. Dies bedeutete ein gottgefälliges Leben, in dem man keine Sünden anhäufte, regelmäßig betete und beichtete, sodass man im Prinzip jederzeit "gehen" konnte.
Im Diesseits sollte sich der Mensch also nicht mit der Anhäufung von Luxus beschäftigen, sondern viel eher damit, seine Seele rein und sündenfrei zu halten, da sie das Einzige ist, was im Jenseits noch Gewicht hat. Geht deine Auffassung von Vanitas in diese Richtung?
Nicht in diesem religiösen Kontext, sondern hinterfragt, wie man die eigene Lebenszeit sinnvoll nutzen kann - das eigene Potential entwickeln und zur Entfaltung bringen kann. In einem Artikel habe ich gelesen, dass laut einer Studie des Allensbach-Instituts Shopping die zweitliebste Freizeitaktivität sei. Shopping verheißt Zerstreuung, Entspannung, Glücksgefühle. Ich kaufe, also bin ich.
Die Must-haves, die Dinge, die man angeblich haben muss. Dieser neue Zeitgeist ist international. Weltweit tragen wir dieselben Klamotten, kaufen wir dieselben Dinge, schauen wir dieselben Filme, hören wir dieselbe Musik. Im Zeitalter der Überindividualisierung kaufen, essen und leben wir normierter als je zuvor. In unserem Kaufverhalten folgen wir dem Diktat ständig wechselnder Moden, die uns zum Konsumieren verführen. In unserer Zeit deckt der Konsum nicht mehr nur Bedürfnisse ab, sondern ist zum Selbstzweck geworden. Konsumiert werden muss heute um seiner selbst willen und gut geht es unserer Gesellschaft nur, wenn sie ausreichend Waren umsetzt – egal, ob diese echten Bedürfnissen entsprechen oder nicht
Ist der Vanitas-Begriff denn noch zeitgemäß? .
In der gegenwärtigen Zeit werden Gedanken an die eigene Endlichkeit zumeist verdrängt und in weite Ferne geschoben. Auch den Tod anderer Menschen nehmen wir heute ganz anders wahr als die Gesellschaft früherer Jahrhunderte. Tod und Sterben war früher fester Bestandteil des gewöhnlichen Alltags. Heutzutage wird viel seltener zuhause gestorben als früher. Selbst wenn uns heute die modernen Medien die schlimmsten realen Gewalt- und Gräuelbilder von Krieg- oder Terror direkt ins Wohnzimmer liefern sind wir nicht wirklich berührt davon. Wir sehen es - wir sehen viel zu viel davon, aber es betrifft uns nicht persönlich. Über all das hinausgehend hat die moderne Technik verbunden mit der Gier nach Profit ein weltweites Zerstörungswerk eingeleitet, das zwar gestoppt werden könnte, aber niemals mehr rückgängig gemacht werden kann: nämlich die atomare Verseuchung für mindestens 1 Million Jahre, die Gen-Manipulation die noch ungeahnte schlimme Folgen und Auswirkungen haben wird, andere Formen der chemischen Verseuchung und Vergiftung der Böden und der Natur, vermüllte Ozeane, vergiftete Atemluft, das Artensterben im Tier- und Pflanzenreich, die rücksichtslos durchgeführten Rodungen der Regenwälder mit den katastrophalen Folgen für das Klima usw. All das ist selbstverständlich bekannt, aber wir tanzen weiter, als wäre alles in bester Ordnung und insofern ist Vanitas leider immer noch aktuell.